
Rede in der Aktuellen Stunde zur
Verwaltungsreform
26. Juni 2025
Sehr geehrte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen
(Auch) ich möchte mit einem Dank beginnen. Danke an alle, die im Senat, in den Senatsverwaltungen, in der Zivilgesellschaft und in den demokratischen Fraktionen dieses Parlaments an der Reform der Verwaltung, die wir heute beschließen, mitgearbeitet haben. – Wir haben gemeinsam gezeigt, dass wir das Wohlergehen der Menschen in unserer Stadt über unsere jeweiligen Parteiinteressen stellen können.
Danke auch an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. Sie waren klug genug, die demokratische Opposition einzubeziehen, ohne die diese Reform nicht zustande gekommen wäre. Und Sie waren klug genug, auf Beschlüssen der Vorgängerregierung aufzubauen - statt alles auf Null zu setzen.
Danke, weil wir Berlin gemeinsam einen Schritt weitergebracht haben.
Verwaltungsreform – warum wir als Opposition mitgemacht haben
Herr Wegner, Sie haben immer wieder öffentlich betont, dass es nicht selbstverständlich sei, dass die Opposition so konstruktiv an einem Regierungsprojekt mitarbeitet. – Ich sage Ihnen, weshalb wir das getan haben:
1.Weil die Berliner*innen es verdient haben, dass ihr Alltag leichter wird. Dass sie auf dem Amt rasch und ohne Behörden-Ping Pong das bekommen, was sie brauchen. Und nie wieder hören müssen „dafür sind wir hier nicht zuständig.“
2. Weil die Beschäftigten in der Verwaltung nicht weiter an ihrem Job verzweifeln sollen. Es ist kein Vergnügen, Kundenservice zu leisten, wenn die Schlange immer länger wird und die Kunden entsprechend genervt sind. Es ist auch kein Vergnügen, die Kund*innen bitten zu müssen, doch alle Daten in dreifacher Ausfertigung im Aktenordner vorzulegen - obwohl sie wissen, dass die Daten an anderer Stelle längst vorliegen.
3. Weil es bezeichnend ist, dass mit der Neuordnung der Zuständigkeiten die Zahl der Aufgaben von 4000 auf 4.800 gewachsen ist – und für 800 davon bislang niemand offiziell zuständig war oder es sein wollte. Und weil für jede Verwaltungsaufgabe, für die die Berliner Verwaltung die Verantwortung nicht klar übernimmt, irgendjemand in Berlin geradestehen muss.
4. Weil wir lieber unsere eigenen Geschichten über Berlin erzählen – statt weiter Markus Söders Spott über die „dysfunktionale Hauptstadt“ zu ertragen.
Aber vor allem: Weil für die Menschen in Berlin die Verwaltung der Staat ist. Die Bürgerämter, die Sozialämter, das LEA und das LABO – hier erleben sie, ob der Staat funktioniert. Und wenn auf dem Amt mal wieder nichts geht, leidet das Vertrauen – in die Verwaltung, in die Handlungsfähigkeit des Staates, in die Demokratie.
In Zeiten wie diesen, in denen rechte Populisten alles tun, um die Demokratie und ihre Institutionen verächtlich zu machen, müssen wir dem Vertrauensverlust entgegenwirken. Wir müssen alle gemeinsam zeigen, dass Demokratie und Demokrat*innen Probleme anpacken und lösen können. Dafür legen wir heute wichtige Grundlagen. Und deshalb sind wir dabei.
Es ist noch nichts erledigt, das ist erst der Anfang
Doch innerhalb der schwarz-roten Koalition scheint man sich uneins zu sein, wie man mit dem gemeinsamen Erfolg nun umgehen will:
Während der Chef-Finanzer der SPD, Thorsten Schneider, mit dem ganzen gesunden Optimismus, den man von ihm kennt (!!), das Jahr 2026 zum „Jahr des funktionierenden Berlins“ ausgerufen hat, hat sein Fraktionskollege Martin Matz die Reform umgehend zum Reförmchen erklärt, das keines der Probleme löst, sondern lediglich einige „kleinere Korrekturen“ anbringt.
Das zeigt vor allem eines: Das große Miteinander der Verwaltungsreform gibt es in dieser Koalition eben nicht. Und das besorgt mich, denn uns allen muss doch klar sein: Mit dem Beschluss der Reform beginnt die Arbeit erst!
Wir verankern heute das Konnexitätsprinzip in der Verfassung des Landes Berlin. Das bedeutet: Neuen Aufgaben muss auch das nötige Geld und Personal folgen. Wir begrüßen das und erwarten, dass der Finanzsenator noch in diesem Jahr das entsprechende Konnexitätsgesetz vorlegt.
Die Verankerung in der Verfassung ändert aber nichts daran, dass Ressourcen endlich sind. Deshalb folgt aus dem Konnexitätsprinzip auch: Wo die Ressourcen für eine neue Aufgabe fehlen, müssen Aufgaben gestrichen werden. Und das muss für die Bürger*innen dann auch transparent gemacht werden. Und damit sind wir bei der vielleicht größten Herausforderung: der Aufgabenkritik. Denn mal ehrlich: Mit jeder Aufgabe, die gestrichen wird, wird den Menschen eine Serviceleistung genommen. Bei jeder Aufgabe gibt es einen Grund, wieso wir hier dachten, dass sie nötig ist.
Umso wichtiger, dass es gelungen ist, für Konflikte zwischen Senat und Bezirken über die Verteilung der Aufgaben eine Einigungsstelle zu etablieren. Und das sage ich hier ausdrücklich einmal fürs Protokoll: Wir alle hoffen, dass die Einigungsstelle nur selten gebraucht wird. Wenn sie aber Beschlüsse fällt, dann binden die auch den Senat. Aufheben kann der Senat diese Beschlüsse nur dann, wenn er begründete rechtliche Bedenken hat. So ist es vereinbart und so beschließen wir es heute. Ohne plausible rechtliche Bedenken sind auch erhebliche Gesamtinteressen des Senats kein Grund, Beschlüsse der Einigungsstelle aufzuheben.
Sehr geehrte Kolleg*innen –
​
Was die Berliner*innen sich vor allem wünschen, ist eine Verwaltung, die sie unterstützt, die ihren Alltag erleichtert. Die Menschen proaktiv zuschickt, was sie nach einem Umzug, der Geburt eines Kindes oder der Gründung eines Unternehmens brauchen. Und wenn schon ein Termin bei einer Behörde nötig ist, wollen wir alle unsere Anliegen dort erledigen können. Warum nicht auch beim Termin im Jobcenter gleich den Personalausweis verlängern? – Das Zauberwort dafür heißt Digitalisierung. Und um die ist es aber nicht gut bestellt. Die Budgets dafür werden gerade überall heruntergefahren. Der Regierende hat auch die Digitalisierung zur Chefsache erklärt. Passiert ist nur leider nichts!
Digitalisierung kann helfen, mit weniger Mitarbeitenden mehr zu schaffen. Ändert aber nichts daran, dass es in Berlin derzeit fast 7000 offene Stellen in den Behörden von Land und Bezirken gibt. – Wir müssen als Arbeitgeber attraktiv werden. – Und dazu braucht es einen echten Kulturwandel. Nicht das Dienstalter, sondern Führungsqualität muss zählen. Und wann kommen wir endlich davon weg, dass nur das Studium der Verwaltungswissenschaft zu einer Laufbahn in der Verwaltung befähigt, und öffnen Karrierewege auch für die vielen Quereinsteiger*innen?
Es funktioniert zu vieles nicht in der funktionierenden Stadt!
Herr Wegner –
Sie haben den Berliner*innen nicht nur eine Verwaltungsreform, sondern eine funktionierende Stadt versprochen. Das ist aber mehr als gesetzlich geklärte Zuständigkeiten und eine Schlichtungsstelle. Was über zweieinhalb Jahre nach dem Regierungswechsel jedenfalls nicht mehr funktioniert: Wenn Ihre Koalition Opposition spielt und über die Zustände schimpft, statt konkrete Verbesserungen zu liefern. Sie mögen fürs Schimpfen gewählt worden sein. Wiedergewählt werden Sie nur, wenn Sie liefern. Und da sieht es bisher eher schlecht aus.
Dafür nur 3 Beispiele:
Seit Monaten verbreitet die CDU jetzt schon die Legende, dass alles, was in Berlin über Zuwendungen finanziert wird, ineffiziente Verschwendung von Steuergeldern ist. Ohne sich die Mühe zu machen, wenigstens mal genau hinzuschauen. Was glauben Sie eigentlich, was an den Schulen noch funktioniert, wenn alles wegfällt, was über Zuwendungsmittel finanziert wird, so wie die Bildungssenatorin es jetzt angekündigt hat? Das bedeutet dann kein Schwimmunterricht mehr, keine Kurse für Analphabeten und Kinder mit Rechtschreibschwäche, keine Projekte gegen Antisemitismus, keine Ferienkurse für Schüler*inen mit Nachhilfebedarf. Soll ich wirklich noch weitermachen? Ich glaube ich spare uns allen die Zeit. Fazit: In Schule funktioniert dann nicht mehr viel, und zwar weil die CDU zum Opfer ihrer eigenen ideologischen Scheuklappen wird.
Und wo sind Ihre besseren Lösungen für unsere zuverlässige, bezahlbare und sichere Mobilität, die Sie 2023 noch vollmundig versprochen haben? Sie wollten überall noch eine Schippe drauflegen. Mehr Radwege, ein besserer ÖPNV, mehr – tja, was genau an „Mehr“ für die Autofahrenden? Bekommen haben wir bislang weniger Radwege, eine BVG-Krise, mehr Verkehrstote und mehr Staus. Wenn sogar der ADAC Ihre Rückabwicklung der Verkehrswende beklagt, funktioniert in Sachen Verkehr offenbar nicht viel.
Wenn dann noch ein Sturm hitzegestresste Bäume umknickt und dadurch das gesamte S-Bahn-Netz lahmgelegt wird, wie wir es zu Wochenbeginn erlebt haben: Dann zeigt sich, dass in dieser Stadt bald gar nichts mehr funktioniert, wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht und Sie aber auch gar nichts tun, um Menschen, Tiere und die Stadtnatur zu schützen. Warten Sie nicht darauf, dass der Baumentscheid Sie dazu zwingt: machen Sie die Stadt grüner, damit Sie auch im Klimawandel noch funktioniert!
Die Verwaltungsreform tritt am 1. Januar 2026 in Kraft. Wir wünschen uns und den Menschen in Berlin, dass dann tatsächlich das Jahr der funktionierenden Stadt beginnt. Aber eins muss Ihnen klar sein: Wir haben unseren Teil nun dazu beigetragen. Der Ball liegt bei Ihnen – Sie tragen die Verantwortung dafür, wenn das nichts wird!
Demokratie lebt vom Streit über die besten Ideen und Lösungen. Überlassen wir den Populismus dem politischen Rand - ringen wir um die besten Lösungen!
​
Ich danke Ihnen.